Reform des schweizerischen Sexualstrafrechts

Reform des schweizerischen Sexualstrafrechts

Vergewaltigung und andere sexuelle Übergriffe werden schon lange nicht mehr als Angriffe auf die (weibliche) Ehre, sondern als Verletzungen des grund- und menschenrechtlich geschützten Rechts auf sexuelle Selbst­bestim­mung verstanden. Mit der sexuellen Selbstbestimmung als dem zu schützendem Rechtsgut des Sexualstrafrechts liegt es nahe, bei der strafrechtlichen Bewertung von Sexualkontakten die Frage der Einwilligung aller Beteiligten ins Zen­t­rum zu stellen. Immer mehr europäische Länder richten deshalb ihr Sexualstrafrecht konsequent entlang des Kon­zepts der (fehlenden) Einwilligung aus und definieren insbesondere Vergewaltigung als «Geschlechts­verkehr ohne Einwilligung».
Wie in einigen anderen europäischen Ländern wird allerdings auch in der Schweiz Vergewaltigung immer noch als «erzwunge­ner Geschlechts­verkehr» definiert und damit die Anwendung eines Nötigungsmittels durch den Täter vorausgesetzt. Wer «nur» ein «Nein» übergeht oder sich über nonverbale Zeichen der Ablehnung hinwegsetzt, be­geht nach aktuellem Schweizer Recht nicht in jedem Fall eine Vergewaltigung oder eine sexuelle Nötigung. Mitt­ler­weile wird aber auch in der Schweiz über eine Re­form des materiellen Sexualstrafrechts bzw. über die Einführung eines konsensbasierten Vergewaltigungstatbestandes dis­ku­tiert.
Das Ziel des Projektes ist es, den aktuellen Reformprozess zu beobachten, kritisch zu begleiten sowie die vor­ge­leg­ten Ge­set­zes­entwürfe zu diskutieren. Zu diesem Zweck wurde u.a. eine umfangreiche Stellungname anlässlich der Vernehm­lassung (Phase des schweizerischen Gesetzgebungsverfahrens) erarbeitet und eingereicht.

  
Forschungsschwerpunkt:II. Regulierung der intimen Beziehungen
Projektsprachen:Deutsch, Englisch
Foto:© Melodie Descoubes/Unsplash

 

Publikationen (Auswahl)

Scheidegger, N. (2022). Of nagging and guilt-tipping. Lack of consent in one’s own activities? In E. Hoven & T. Weigend (Hrsg.), Consent and sexual offenses (S. 83–94). Baden-Baden: Nomos. doi:10.5771/9783748930242-83
Coninx, A., & Scheidegger, N. (2022). Gewaltpornografie und moderne Sexualmoral. Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins, 158(7-8), 339–359.
Scheidegger, N. (2021). Balancing Sexual Autonomy, Responsibility, and the Right to Privacy: Principles for Criminalizing Sex by Deception. German Law Journal, 22(5), 769–783. doi:10.1017/glj.2021.41
Scheidegger, N. (2021). Revision des Sexualstrafrechts: die Verankerung des Konsensprinzips im StGB. In Juristinnen Schweiz (Hrsg.), Recht und Geschlecht: Herausforderungen der Gleichstellung. Quelques réflexions 50 ans après le suffrage des femmes (S. 193–211). Zürich: Dike.
Scheidegger, N. (2020). Kommentierung der Art. 187-200 StGB. In D. K. Graf (Hrsg.), StGB: annotierter Kommentar (S. 1146–1206). Bern: Stämpfli.
Scheidegger, N., Lavoyer, A., & Stalder, T. (2020). Reformbedarf im schweizerischen Sexualstrafrecht: «Egoistisch, rücksichtslos, kaltherzig» – aber strafrechtlich nicht relevant? Sui generis, 57–75. doi:10.21257/sg.122
Scheidegger, N. (2020). Kommentierung der Art. 372-380a StGB. In D. K. Graf (Hrsg.), StGB: annotierter Kommentar (S. 1824–1837). Bern: Stämpfli.
Scheidegger, N. (2019). Strafrechtliches Neuland: Stealthing. Gender Law Newsletter, 2019(3).
Scheidegger, N. (2018). Das Sexualstrafrecht der Schweiz: Grundlagen und Reformbedarf. Stämpfli: Bern.

Talks, Webinar

  • Talk: Ausgleich von Leid durch Geld? Gedanken zur Höhe der Genugtuung bei Sexualdelikten. Presented at Conference Das Sexualstrafrecht im Wandel, University of St. Gallen, 05/16/2023.
  • Talk: Principles for Criminalizing Sex by Deception. Presented at German Law Journal Symposium, Washington & Lee University, Lexington, 10/06/2023.
  • Webinar: Das neue Sexualstrafrecht: Meilenstein oder typisch schweizerischer Kompromiss? F.Ius University of Zurich, 04/17/2024.

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